Kontroverse um Shima Capital-Gründer: Mutmaßliche geheime Vermögensübertragungen lösen Vertrauenskrise aus

Originalartikel von Leo Schwartz, Fortune Magazine

Originalübersetzung: Ruffy, Foresight News

Als Yida Gao 2022 ans MIT zurückkehrte, stand der ehemalige College-Stabhochspringer und Phi Beta Kappa-Preisträger vor einer großen Herausforderung. Die renommierte Universität hatte ihn eingeladen, die Graduiertenkurse der Business School zu Kryptowährung und Finanzen zu unterrichten, eine Position, die zuvor der Vorsitzende der Securities and Exchange Commission, Gary Gensler, innehatte.

Zehn Jahre nach Abschluss seines Grundstudiums am MIT landete der chinesische Einwanderer auf der Forbes-Liste „30 unter 30“ und hat sich seitdem schlagartig in den Kryptowährungsraum eingearbeitet. Yida Gao besitzt seine eigene auf Blockchain spezialisierte Risikokapitalgesellschaft Shima Capital. Gao hat $200 Millionen von Finanzgiganten wie Bill Ackman und bekannten Kryptowährungsunternehmen wie Dragonfly und Galaxy eingesammelt und ist durch die Teilnahme an mehr als 300 Investitionsgeschäften zu einem der aktivsten Investoren im Kryptowährungsraum geworden.

Gaos Aufstieg verlief rasant, aber sein Tempo war nicht gleichmäßig. Eine Untersuchung des Magazins Fortune ergab, dass Gao ohne das Wissen von Ackman und anderen Investoren eine geheime Offshore-Firma gründete und Vermögenswerte von Shima Capital auf eine neue Firma übertrug, die er in seinem eigenen Namen gründete. „Dies ist ein direkter Verstoß gegen den Investment Advisers Act“, sagte Eric Hess, ein Anwalt, der sich auf digitale Vermögenswerte und Risikokapital spezialisiert hat.

Gao wurde keiner Straftat angeklagt und ein Vertreter von Shima Capital sagte gegenüber Fortune, dass das Unternehmen „regulatorische Angelegenheiten dieser Art“ nicht kommentiert. Doch Gaos schlechte Leistung und sein Verhalten scheinen gegen die Anlegerschutzregeln der SEC verstoßen zu haben, was es dem einstigen Kryptowährungsstar schwer macht, mehr Geld aufzutreiben, so eine Quelle. Trotz des boomenden Marktes sagte ein Vertreter von Shima gegenüber Fortune, dass das Unternehmen derzeit kein Geld auftreibt.

Gaos Unternehmen musste in den letzten Monaten mehrere hochrangige Abgänge verzeichnen, darunter den Technologiechef Carl Hua und den Forschungsleiter Alexander Lin, die Shima Capital Anfang des Jahres verließen, um eine eigene Risikokapitalgesellschaft zu gründen, sowie Plattformchefin Hazel Chen. Die scheidenden Führungskräfte reagierten nicht auf Anfragen um einen Kommentar.

Trotz der aktuellen bullischen Marktbedingungen für Kryptowährungen scheint Shima zu kämpfen. Aus der jüngsten Einreichung des Unternehmens bei der US-amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde (SEC) geht hervor, dass es Vermögenswerte in Höhe von etwa $158 Millionen verwaltet, eine Zahl, die niedriger ist als die $200 Millionen, die Shima im Jahr 2022 aufgebracht hat.

Während Unternehmensvergehen im Kryptowährungssektor so häufig vorkommen wie beschlagnahmte Lamborghinis, ist es Gao gelungen, eine Elitegruppe von Investoren davon zu überzeugen, ihn zu unterstützen und in diesem Bereich aktiv zu bleiben. Seine Fehltritte werden wahrscheinlich zum Futter für Kritiker der Kryptoindustrie, die seit langem eine Reihe zwielichtiger Praktiken anprangert.

„Es gibt viele Schwachstellen im Krypto-Bereich“, sagte Hess. „Wir müssen anfangen, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken und dürfen sie nicht ignorieren, es sei denn, wir sind nur die verlassenen Kinder des Finanzsystems.“

Betrug

Gao, einer der jüngsten Krypto-Zauberer, folgt einem eher traditionellen Weg: glattrasiert, fit und mit einem beeindruckenden Lebenslauf bei renommierten Finanzinstituten. Er begann seine Karriere im Finanzwesen bei Morgan Stanley, wo er im Bereich Fusionen und Übernahmen tätig war. In seiner Freizeit investiert er in Startups und arbeitet dabei oft mit dem gut vernetzten Unternehmer Adam Struck zusammen. Gao arbeitete beim Risikokapitalgiganten New Enterprise Associates und besuchte kurz die Stanford Business School, bevor er sein Studium abbrach, um Vollzeit bei Strucks Risikokapitalfirma in Santa Monica anzufangen.

Während die Partnerschaft zwischen Gao und Struck in der Öffentlichkeit zu florieren schien, war die Beziehung zwischen den beiden im Jahr 2019 hinter den Kulissen angespannt. Struck reichte eine Klage ein, in der er Gao vorwarf, heimlich vertrauliche Informationen gestohlen und in Puerto Rico eine konkurrierende Risikokapitalgesellschaft, Shima Capital, gegründet zu haben. Gao bestritt die Vorwürfe und argumentierte, Struck habe seine Beiträge „abgewertet“ und sich geweigert, ihre gleichberechtigte Partnerschaft anzuerkennen, was ihn dazu veranlasste, seinen eigenen Weg einzuschlagen.

Auf eine Bitte um Stellungnahme zu dem Rechtsstreit, der im Oktober 2023 beigelegt wurde, antwortete Struck bislang nicht.

Obwohl die Einigung unter Verschluss gehalten wurde, beschuldigten Strucks Anwälte Gao in Gerichtsdokumenten, mehrere Briefkastenfirmen gegründet zu haben, darunter ein Unternehmen namens ShimaB auf den Britischen Jungferninseln, das zu 100 % in Gao's Besitz war.

Selbst als er mit Struck im Streit lag, nutzte Gao seinen beeindruckenden Lebenslauf und sein selbstbewusstes Auftreten, um Top-Persönlichkeiten der Kryptowährungs- und Finanzwelt wie Bill Ackman und den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Andrew Yang zu überzeugen und Geld von ihnen einzusammeln. Shima begann im Mai 2021, sich an Deals zu beteiligen, und hatte laut einer Investitionszeitleiste, die Fortune vorliegt, bis September 2022 etwa $100 Millionen in etwa 200 Projekte investiert. Allerdings ist nicht jeder von Gaos jungenhaftem Charme beeindruckt.

Mehrere Investoren, potenzielle Geldgeber und potenzielle Portfoliounternehmen sagten gegenüber Fortune, dass Gao und sein Team jung und unerfahren seien und nicht wirklich wüssten, was sie täten, sondern einfach auf den Kryptowährungszug aufspringen würden.

Die Nachteile einer Wette auf Gao wurden bald offensichtlich. Insbesondere begannen sich die Anleger Sorgen darüber zu machen, wie Gaos Firma ihre Investitionen bewertete, und mit der Angelegenheit vertraute Personen sagten Fortune, dass Gao Shimas Anteil ausschließlich auf der Grundlage seiner eigenen Ideen erhöhen würde. Ein Artikel der Financial Times aus dem Jahr 2023 stellte fest, dass dies ein unorthodoxer Ansatz sei. Gao antwortete, dass Shima bald professionelle Fondsverwalter einstellen werde, um die Buchhaltung zu überwachen.

Ein weiteres Beispiel fragwürdiger Buchführung ist ein Dokument vom September 2022, in das Fortune Einsicht genommen hat. Darin bezifferte Shima seine Investition in die Kryptowährungsbörse Chatex auf $250.000 – fast ein Jahr, nachdem das US-Finanzministerium gegen das Unternehmen Sanktionen verhängt hatte, weil es illegale Aktivitäten wie Ransomware und Darknet-Märkte ermöglicht hatte.

Wie The Block im Juli 2023 berichtete, erwies sich Shima trotz Gaos Versprechen, einen Wirtschaftsprüfer zu finden, als schwierig: Zwei namhafte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften lehnten das Unternehmen ab, weil es außerhalb ihrer Risikoparameter lag.

Aus einer im April 2024 bei der US-Börsenaufsichtsbehörde eingereichten Meldung geht hervor, dass ein Cayman-Unternehmen namens MHA Cayman Shimas Wirtschaftsprüfer wurde, und ein Shima-Vertreter bestätigte, dass MHA Shimas‘ Wirtschaftsprüfung für 2023 im Mai 2024 abgeschlossen hat. MHA antwortete nicht auf Fortunes mehrfache Anfragen um einen Kommentar.

Unzuverlässige Strategie

Theoretisch verkaufte Gao den Investoren ein Standardprodukt. Er nahm ihr Geld und investierte in junge Blockchain-Unternehmen, wodurch sie Zugang zu dieser angesagten Branche erhielten und gleichzeitig von einem atemberaubenden Wachstum profitierten.

Dass ShimaB Schwierigkeiten hat, einen Wirtschaftsprüfer zu finden, ist für eine US-Risikokapitalgesellschaft nicht typisch. Ungewöhnlich ist auch, dass ShimaBs Offshore-Firma vollständig Gao gehört. Zwar haben viele US-Risikokapitalgesellschaften für Kryptowährungen Offshore-Unternehmen gegründet, um mit dem unsicheren regulatorischen Umfeld im eigenen Land zurechtzukommen, doch diese Unternehmen gehören dem Unternehmen und nicht den Personen, die es leiten.

Gao legte potenziellen Investoren ein Dokument zur „Fondsstruktur“ vor, in dem Shimas Netzwerk aus Gesellschaften mit beschränkter Haftung beschrieben wurde, die das Anlegerkapital halten und Investitionen tätigen würden. Mehrere dieser Gesellschaften sind auf den Cayman Islands registriert.

Doch andere interne Dokumente, die Fortune überprüft hat, erzählen eine andere Geschichte. Das Unternehmen ShimaB, das Gao während seiner Partnerschaft mit Struck unter seinem eigenen Namen gegründet hatte, taucht weder in den Fondsstrukturierungsdokumenten noch im Prospekt, der den Investoren vorgelegt wurde, mit einem Wort auf.

Unterdessen zeigen andere interne Dokumente zu Shimas Beteiligungen, dass ShimaB, das sich im Besitz von Gao befindet, von Mitte 2021 bis Ende 2022 mehr als 100 Beteiligungen hielt, nachdem Shima angekündigt hatte, $200 Millionen an Finanzmitteln aufzubringen.

Obwohl es keine Beweise dafür gibt, dass Gao durch diese Operation Vermögenswerte veruntreut hat, meinen Experten, dass ein solches Verhalten einen schweren Verstoß gegen die Regeln zu Interessenkonflikten im Investment Advisers Act darstellt, der die ethischen Verpflichtungen von Risikokapitalfirmen gegenüber Investoren klar umreißt. Im Fall ShimaB scheint das Gesetz Gao zu verbieten, das Geld von Investoren zu verwenden, um in Unternehmen zu investieren, die ihm gehören, ohne dies ordnungsgemäß offenzulegen.

Der Grund hierfür ist neben der grundlegenden Transparenz, dass, sollte Gao etwas zustoßen, beispielsweise ein plötzlicher Tod oder Bankrott, die Eigentumsverhältnisse an der Investition angefochten werden könnten. „Das ergibt keinen Sinn“, sagt Hess, ein Risikokapital- und Blockchain-Anwalt. „Ich halte das für keine vernünftige Strategie.“

Warnung

Ende 2022 bemerkten Shimas Investoren Probleme mit der Eigentümerstruktur und Bewertungsdiskrepanzen und alarmierten das Shima-Management. Galaxy zog seine Investition zurück, und andere kleinere Investoren, darunter Bill Ackmans Family Office und Dragonfly, hielten sich weitgehend aus dem Streit heraus. Das liege daran, dass ihre Investitionen relativ gering waren, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen.

Im März 2023 versuchte Gao, die Bedenken zu zerstreuen, indem er sich mit Shimas kleinem Beirat traf und bekannt gab, dass das Unternehmen über ShimaB „Warehouse“-Investitionen getätigt hatte (Hinweis: „Warehouse“-Investitionen beziehen sich auf Investitionen, die von Fondsmanagern über vollständig in Privatbesitz befindliche Unternehmen getätigt werden, bevor die Investitionen des Risikokapitalfonds geschlossen werden).

Dem Protokoll zufolge behauptete Shima, es habe Investitionen mit Investorenkapital getätigt, aber immer beabsichtigt, dieses auf das neue Unternehmen zu übertragen. Als Antwort auf eine Reihe von Fragen von Fortune wiederholte ein Shima-Vertreter, das Unternehmen habe Investitionen über „verbundene“ Unternehmen wie ShimaB geparkt und die Investitionen auf Shimas neuen Fonds übertragen.

Aus den Protokollen und den Antworten des Vertreters geht jedoch nicht hervor, dass das Unternehmen die Vereinbarungen von ShimaB seinen Investoren gegenüber jemals offengelegt hat. Auch geht nicht hervor, dass Gao die Gelder in seinem eigenen Namen und nicht über Shima überwiesen hat. Darüber hinaus ist unklar, ob Shima aufgrund der Transferbeschränkungen für viele Investitionen in der Lage gewesen wäre, alle seine Investitionen an das Unternehmen zurückzuübertragen.

Neben der Unzufriedenheit der Anleger könnten Shimas Compliance-Probleme rechtliche Folgen für Gao und sein Unternehmen haben. Anwalt Hess sagte, wenn Shima während der Überprüfung verdächtige Geschäfte nicht offenlege, könnte dieser offensichtliche Verstoß gegen Interessenkonflikte der US-Börsenaufsicht SEC einige Handlanger einbringen. Er fügte hinzu, dass die Palette der möglichen Strafen Geldbußen oder sogar den Entzug von Shimas‘ Qualifikation als Anlageberater umfassen könnte.

Trotz seiner zweifelhaften Vergangenheit ist Shima weiterhin aktiv in Investitionstätigkeiten tätig. Investoren strömten auf den Kryptowährungsmarkt und Memecoins wie der beliebte Dogwifhat begannen zu steigen, als der US-Regulierungskampf gewonnen wurde. Im April wurde Shima Investor in der neuen Blockchain eines anderen Hunde-Tokens, Shiba Inu.

Gao ist in der Welt der Kryptowährungen vielleicht kein Außenseiter. Doch für eine Branche, die versucht, ihren schlechten Ruf loszuwerden, sind seine Handlungen eine Warnung für Anleger, die Fehler der Vergangenheit vermeiden wollen.

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